Bären-Liebe

Bären so groß, wie in der wilden Natur! Und so klein, dass sie locker auf den Fingerspitzen Platz nehmen können! Hier in diesem Bären-Eldorado sitzt er, mein Teddy: und er ist nicht allein. Gottseidank! Natürlich sieht er nur so aus wie einst mein Spielgefährte. Aber wer in Sonnebergs Fußgängerzone die Teddy-Manufaktur mit dem Museum der Familie Martin betritt, beginnt eine Traumreise in seine Kindheit. Damals war ein Teddybär gelb oder braun, hatte bewegliche Arme, schaute durch zwei Glasaugen in die Welt, und wenn man ihn legte, kam aus seinem Bauch eine tiefe Brummstimme. Die Nase war meist mit einem dunklen derben Faden gestickt. Durch das viele Kuscheln wurde sein Fell an manchen Stellen platt und dünn, hin und wieder fiel auch mal ein wenig Holzwolle heraus. Das alles tat echter Bären-Liebe keinen Abbruch. Doch wieso hat es gerade ein Bär als erster in die Kinderzimmer dieser Welt geschafft? Warum nicht ein Plüsch-Hund oder Fell-Hase? In Sonneberg treffe ich eine Bären-Expertin, die ich fragen kann.

Fakten und Fiktionen

Sina Martin wusste schon als Dreijährige, was sie werden will: Bären-Chefin in der Teddy-Manufaktur der Familie. Sie reiste als Zwölfjährige mit ihrem Vater auf Werbetour nach Japan und Amerika, managte mit 16 den Online-Shop, gestaltete Kundenflyer und übernahm mit Anfang 20 noch während des Studiums die Leitung. Bis heute erfindet die zweifache Mutter mit einem Diplom in Wirtschaftsinformatik und einem großen Herzen für kleine Flauschwesen den Spielgefährten unserer Kindheit immer wieder neu. Natürlich kennt sie auch all die Anekdoten und Legenden, wie der Teddy zu seiner Bedeutung gekommen sein soll. Mal heißt es, Margarete Steiff aus Württemberg hat den Teddy erfunden, andere sehen seine Wiege in Amerika bei Theodore Roosevelt, dem 26. Präsidenten der USA. Sina Martin konstruiert daraus keinen Widerspruch: „Margarete Steiff produzierte und exportierte süße Bären in großen Stückzahlen nach Amerika. Zu dieser Zeit berichteten die Zeitungen groß über eine Jagd-Anekdote Roosevelts, die den Bären populär machte. Der Teddy war das erste Spielzeug sowohl für Mädchen als auch für Jungen.“

 

Vaters Mut und Omas Können 

Längst hat sich Meister Petz ganz nebenbei vom Spielgefährten der Kleinen auch zu einem Sammlerobjekt der Großen, zum sogenannten Künstler-Bären, gemausert. Und das ist in Sonneberg noch Mal eine ganz eigene Geschichte: die der Familienmanufaktur Martin, die die 32-Jährige in fünfter Generation führt. Sina Martins gesamte Familie hatte mit Spielwaren zu tun. „Wir haben das durch und durch gelebt. Und ich war immer dabei: bei Mama zu Hause in ihrer Werkstatt, bei Papa im Auto, wenn er die Heimarbeiter belieferte oder Ware abholte, ich war mit auf Messen und Ausstellungen. Als ich drei Jahre alt war, hab ich gewusst, dass das meine Welt ist.“ Begonnen hatte alles im Jahr 1924 mit Ur-Ur-Großvater Albin Martin, der in der „Weltspielwarenstadt“ (siehe Info-Kasten) ein Unternehmen mit Bären und Stofftieren gründete. Als er in den Krieg musste, aus dem er nicht zurückkam, übernahm einer seiner Söhne: Christian. Auch er, Sinas Ur-Großvater, fertigte Holzwolltiere. Er starb in jenem Jahr, in dem Sina geboren wurde. Die nachfolgende Generation, Sinas Großeltern, führten das Unternehmen durch die wechselvollen 1950-er Jahre. „In jener Zeit wurde unser Betrieb in eine Produktionsgenossenschaft überführt. Es lief eigentlich alles so weiter, aber man hatte nichts mehr zu melden, und viele Mitarbeiter gingen weg.“ All das weiß die Jungunternehmerin aus Erzählungen von Oma Trude und Vater Rainer. Auch dass sie 1972 in den großen Volkseigenen Betrieb VEB „Sonni“ mit 8000 Mitarbeitern eingegliedert wurden. Die Martins arbeiteten nun im Musterbau und in der Lehrlingsausbildung. Nur Oma Trude nähte zu Hause noch nach alter Art ihre Teddys. Mit Mauerfall und Währungsunion ging es in der DDR-Spielzeugproduktion bergab. Viele Kollegen fuhren nun nach Franken zur Arbeit, wo die großen Hersteller saßen. „Mein Vater aber fasste den Entschluss, wir probieren es selbst. Eine geborgte Nähmaschine und einige alte Schnitte, die sie aus Müllcontainern gerettet hatten, mehr war nicht. Vaters Mut und Omas Können, damit begannen wir. Dann kaufte Papa dieses alte Haus und baute es um zu Werkstatt, Laden und Museum.“ All das hat die junge Frau geprägt und stark gemacht. „Von Oma hab ich viel gelernt, auch mit acht Jahren bei ihr meinen ersten Bären kreiert. Ich durfte den Schnitt entwerfen, hab alles komplett mit der Hand genäht, gestopft und gestaltet. Mein erster Bär!“ Sie sie traurig, dass ausgerechnet dieser Teddy verlorenging. Doch sie weiß um das große Glück, eine solche Oma zu haben. Trude Martin (heute 86) hat sich mittlerweile aus dem Geschäft zurückgezogen, aber ihre Handschrift ist noch überall zu finden. 

Fußballfans und Filmstars 

Die Geschichte des Teddy-Unternehmens widerspiegelt auch das Museum mit dem „Raum der 1000 Teddybären“, wo die Muster aller Exemplare, die seit 1924 das Haus verlassen haben, präsentiert sind. Mit fortschreitender Jahreszahl wird die Vielfalt in den Regalen hinsichtlich Farben, Materialien und Accessoires immer bunter und ausgefallener. Da tummeln sich Teddys, ge- und verkleidet als Piraten und Köche, Mafiosi, Musiker, Fußballfans und Filmstars, als Liebespaar und Pilzsammler. Sie alle erblickten das Licht der Welt in der eigenen Werkstatt in Sonneberg: kleine Serien von maximal 30 Stück. Manche gibt es nur ein einziges Mal als Sonderanfertigung oder Auftragsarbeit: immer mit Glasaugen, Brummstimme und beweglichen Gliedmaßen sowie hochwertigen Materialien wie Mohair, Plüsch oder Polsterstoff. Es gibt ganze Reihen von Horoskop- und Jahresbären, Vornamen- und Kuschelbären sowie Sets aus vorgefertigten Einzelteilen zum Basteln für zu Hause. Sammler fragen immer nach Neuheiten. Sie reisen sogar aus Australien an, kommen aber vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum. Und sie stehen mit kreativen Ideen vor der Tür. Einmal brachten Männer die Arbeitsjacke ihres Kollegen, der in Rente ging, mit dessen eingesticktem Namen und Firmenlogo. Daraus sollte ein Teddybär werden. Als Abschiedsgeschenk. Ein anderes Mal war es die abgetragenen Lieblingsjeans, die ein zweites Leben als „Teddy-Haut“ bekommen sollte. Solche originellen Wünsche erfüllt die Bären-Chefin gern. Sie weiß: „Jeder Mensch braucht einen Teddybären“.

                     

Sonnebergs Tradition in der Spielzeugproduktion reicht zurück bis ins 18. Jahrhundert. 1880 produzierten 321 Spielzeugfirmen für eine internationale Kundschaft. So entstand der Beiname „Weltspielwarenstadt". Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Rohstoffe knapp und Spielwaren Luxus waren, gelang ein schwerer  Neustart. Der Mauerbau von 1961 aber schnitt den fränkisch geprägten Süden Thüringens von der traditionell gewachsenen Spielzeug-Region ab. Die Hersteller im Osten kamen unter das Dach des Volkseigenen Betriebes „Sonni“, wo täglich bis zu 16.000 hochwertige Teddys, Plüschtiere und Puppen vom Band liefen. Durch die hohe Spezialisierung der 8000 Beschäftigten ging in den ehemaligen Herstellerfamilien viel Knowhow verloren. Nach 1990 gelang es nur wenigen, an die Traditionen anzuknüpfen.

 

Wer erfand den Teddybär?

Theodore Roosevelt, zwischen 1901 und 1909 Präsident der Vereinigten Staaten und mit Spitznamen Teddy, war ein leidenschaftlicher Jäger. Einem Bärenjungen, das man ihm nach einer glücklosen Jagd vor die Flinte setzte, schenkte er jedoch das Leben. Diese Anekdote verbreitete sich und rührte die Menschen, so dass das Bärchen schließlich als Teddy’s Bear zum Markenzeichen des Präsidenten wurde. Etwa zur gleichen Zeit, 1902, entwickelte in Giengen an der Brenz Margarete Steiffs Neffe Richard den ersten Plüschbären mit beweglichen Armen und Beinen. Dieser reiste 1903 in die USA, kehrte mehr oder minder unbeachtet wieder zurück, gelangte dann mit Margarete Steiff nach Leipzig auf die Messe, kam erneut nach Amerika und wurde dort von Roosevelts Tochter entdeckt, die den Bären nach ihrem Vater „Teddy“ getauft haben soll.

 

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